Gene - die Impfstoffe der Zukunft?
Eine belächelte Idee wird zum ernstzunehmenden Ansatz
Impfstoffe haben in der Vergangenheit viele tödliche Krankheiten eingedämmt. Bei Malaria, AIDS und etlichen anderen Infektionen jedoch versagen die herkömmlichen Immunisierungsstrategien oder sind zu riskant. Die mögliche Lösung : Gen-Impfstoffe, die das Immunsystem wirksam mobilisieren - vielleicht sogar gegen Krebs.
Wie die amerikanischen Wissenschaftler David B. Weiner und Ronald C. Kennedy in der Oktober-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" erklären, haben genetische Impfstoffe gegenüber den herkömmlichen eine Reihe von Vorteilen. Bei den jetzigen Präparaten aus abgetöteten Krankheitserregern oder Teilen davon lässt der Immunschutz nach einiger Zeit oft nach. Und bei den anderen gängigen Präparaten aus abgeschwächten lebenden Erregern kommt es gelegentlich vor, dass sie gerade die Erkrankung verursachen, vor der sie schützen sollen. Genetische Impfstoffe dagegen arbeiten nach einem völlig anderen Prinzip. Hierbei wird ausgewähltes Erbmaterial des Krankheitserregers vorübergehend in Haut- oder Muskelzellen eingeschleust. Diese Gene veranlassen die Zelle dazu, bestimmte Eiweiß-Stoffe zu produzieren, die dem Körper eine Infektion vorgaukeln und so eine Reaktion der jeweils zuständigen Abwehr-Zellen des Immunsystems provozieren.
Wenn sie ihr Versprechen einlösen, dann besäßen die angestrebten Impfstoffe, nach Ansicht der beiden Forscher, alle positiven Eigenschaften herkömmlicher Präparate, umgingen aber gleichzeitig deren Risiken. Da die Gene, die der Erreger für seine Vermehrung braucht, bewusst weggelassen werden, wären die Impfstoffe unfähig, lnfektionen hervorzurufen. Darüber hinaus ließen sich Präparate aus Genen unterschiedlicher Stämmen eines Erregers zusammenstellen. Bei den ständig mutierenden Grippeviren oder beim AIDS-Erreger wäre das ein großer Fortschritt. Doch bis es soweit ist, müssen zunächst Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit beim Menschen getestet werden. Vorläufige Ergebnisse aus den klinischen Studien, die seit Mitte der neunziger Jahre laufen, weisen darauf hin, dass sich zum Beispiel gegen den Malaria-Erreger, das Hepatitis B-Virus oder den AIDS-Erreger nützliche Immunreaktionen erzielen lassen. Bislang wurden alle Gen-Impfstoffe von den Patienten ohne große Probleme vertragen, doch ob sich mit ihnen wirksam Erkrankungen verhindern oder behandeln lassen, ist noch unklar.
Noch kämpfen die Wissenschaftler mit der Kurzlebigkeit dieser Impfstoffe. Denn schon nach etwa einem Monat produzieren die Zellen nicht mehr viel von den gewünschten Proteinen. Offen ist auch noch, wie lange eine erreichte genetische Immunisierung anhält und welche Gene des Erregers maximalen Erfolg versprechen. Klinische Studien werden diese und weitere Fragen frühestens in fünf bis zehn Jahren beantworten, doch die am Reißbrett entwerfbaren Impfstoffe wecken schon heute Hoffnung. Denn die Verwendung von Erbsubstanz eröffnet erstmals die Möglichkeit, Impfstoffe maßgerecht zu schneidern und Immunreaktionen in gewünschte Bahnen zu lenken. Forscher experimentieren zu diesem Zweck bereits mit zusätzlich beigefügten Genen für körpereigene Immunmoleküle, welche die Stärke und Stoßrichtung der Abwehr optimieren.
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http://www.VerbraucherNews.de/gesund...000003607.html
Rubrik: Gesundheit / Forschung & Neuheiten
Datum: 24.09.1999
Autor: Verena Rais (vera); mailto:vera@verbraucherne ws.de